In unserer Aula fand auch in diesem Jahr wieder eine Veranstaltung zum internationalen Karlspreis statt. Diesmal organisierten Geschwister-Scholl-Gymnasium und Katholische Theologie der RWTH Aachen eine Podiumsdiskussion zum religiösen Blick auf die Fluchtbewegung der letzten Monate.
Unter der Moderation des ehemaligen stellv. Schulleiters Manfred Birmans diskutierten Professor Simone Paganini (Institut für kath. Theologie der RWTH), Jasser Abou Archid (Institut für islam. Theologie der Universität Osnabrück), Professor Christian Kuchler (Institut für politische Wissenschaft der RWTH) und Thomas Thelen (stellv. Chefredakteur der Aachener Zeitungen).
Die unterschiedlichen Ansätze der Podiumsteilnehmer führten zu einem spannenden Bild: Professor Kuchler berichtete aus seiner bayerischen Heimat über die Schwierigkeiten, in Gemeinden von ca. 300 Einwohnern eine Gruppe von 20 Migranten in einem Asylquartier zu integrieren oder welche großen Probleme es rein logistisch mache, täglich bis zu 10.000 Flüchtlinge menschenwürdig zu versorgen. Mit seiner Darstellung schuf er Verständnis dafür, dass trotz allem Einsatz von Ehrenamtlichen eine Belastungsgrenze erreicht worden sei. Ebenso zeigte Herr Archid, dass länger in Deutschland lebende Migranten nachvollziehbare Verlustängste entwickeln angesichts der Neuankömmlinge. Der Status, den man sich hart erarbeitet habe, wolle man nicht aufgeben und nicht mit in die Klischees über Kopftücher und Vollbärte einbezogen werden.
Gleichwohl, so Kuchler, werde daraus nur eine neue Spielart des „billigen Populismus“, da auch früher schon z. B. vor Ausländern oder Hartz IV Empfängern Ängste geschürt wurden.
Spannend war der Blick in die Vergangenheit: Professor Pagangini be- mühte den babylonischen Herrscher Hamurapi, in dessen berühmtem Kodex etwa 1750 v. Chr die Pflicht zur Hilfe für bedürftige Reisende (also auch Flüchtlinge) erstmalig schriftlich fixiert wurde. Von dort aus, so der Altorientalist, hätten unsere heutigen Religionen (Judentum, Christentum und Islam) ihre Gebote abgeleitet. Die Pflicht zur Hilfe sei also allen gemein. Für die deutsche Gesellschaft leite sich daraus das staatliche Steuer- und Sozialwesen ab. Herr Archid bedauerte, dass der Sakkat als islamische Hilfsmaßnahme nicht in ruhigen Zeiten vergleichbar strukturell organisiert worden sei und damit heute in der Notsituation damit nicht für die Flüchtlinge herangezogen werden könne.
Gerade von Herrn Thelen wurde unter deutlicher Zustimmung von Podium und Publikum der Ausspruch der Kanzlerin zitiert: „Wir schaffen das!“ Es sei jedoch jetzt notwendig, aufeinander zuzugehen und ehrlich miteinander zu sein. Herr Archid assistierte und forderte von allen Beteiligten gegenseitige Achtung und Respekt. Für ihn bedeutete dies einerseits Rücksicht auf die Ankommenden aber andererseits auch deren Bereitschaft sich an dieser Gesellschaft zu beteiligen und das Recht der Einwohner dies einzufordern.
Musikalisch umrahmt wurde die Ver- anstaltung von Daniel Dojan und Marcel Felker (EF) sowie Ben Kamberi (Q1) am Flügel.
An dieser Stelle bedanken wir uns besonders als Schule bei Herrn Thelen und Professor Paganini, die bereits in der voran-gegangenen Woche mit Schülern die Thematik besprochen hatten. Die Wertediskussion und ein Blick in die Flüchtlingspolitik aus Pressesicht haben den Schülern in einer Form den Horizont geweitet, wie wir es im normalen Unterricht nie leisten können.
Text: J.-D. Zimmermann
Fotos: G.Reineke
Artikel der Aachener Zeitung vom 19.04.2016