Dass ein Schulausflug auf freiwilliger Basis auch an einem sonst schulfreien Samstag Freude bereiten kann, das durften 17 mittlerweile ausflugerprobte Schülerinnen und Schüler des Geschwister-Scholl-Gymnasiums erfahren, die am Samstag, den 23.September 2019, in das Ludwigforum kamen, um im Rahmen unseres Patenschaftsprojektes die „Kunststadt“ Aachen kennen zu lernen.
Wir treffen uns um 10:00 Uhr vor dem Eingang des Museums. Unsere Museumsführerin staunt nicht schlecht, als jeder sich kurz vorstellt und sie erfährt, dass so viele unterschiedliche Nationalitäten in unserer Gruppe vereint sind. Dabei ist unser Gymnasium nur wenig entfernt! Bei weitem nicht alle Patenkinder sind schon einmal in einem Museum für Kunst gewesen, manche noch nicht einmal in einem Museum! Deshalb wird auch an die „Regeln“, die man bei einem Besuch zu beachten hat, noch einmal erinnert. Jedes der ausgestellten Kunstwerke hat eben nicht nur einen hohen finanziellen, sondern auch einen ideellen Wert. Alle Taschen und Jacken werden sicher verstaut, und schon geht es los durch die wunderbar lichten und weiten Räume des Ludwigforums!
Im eigentlichen „Forum“, der Veranstaltungssenke, setzen wir uns auf die Zuschauerplätze und erfahren, warum das Museum diesen ungewöhnlichen Namen trägt und wie es überhaupt entstanden ist. Der Name „Ludwig“ leitet sich von dem Fabrikantenehepaar Irene und Peter Ludwig her. Diese haben viel Geld mit Schokolade verdient, und da sie sowohl Kunsthistoriker als auch Kunstliebhaber waren, legten sie über Jahrzehnte hinweg eine Sammlung an, die sie schließlich in Aachen in einem eigens dafür geschaffenen Museum, dem „Ludwigforum“ , ausstellten. „Forum“ = Marktplatz wurde das Museum genannt, weil es mit dem zentralen Platz, an dem wir gerade sitzen, allen Künsten einen Raum geben wollte. Die Sammlung wuchs stetig, so dass es heute in Europa und weltweit 13 Museen gibt, die alle „Ludwig“ in ihrem Namen tragen, zum Beispiel in Peking, Kuba, Sankt Petersburg, Budapest oder Wien. Das Ehepaar wollte in seinen Museen Kunstwerke aus einem bestimmten Land oder einer Kunstrichtung ausstellen und auf diese Weise Brücken zwischen den Ländern und Kulturen bauen. In Aachen wurden neuerworbene Kunstwerke des Ehepaars Ludwig jedoch immer zuerst ausgestellt, was der Kaiserstadt unter den Liebhabern moderner Kunst zu einer besonderen Berühmtheit verhalf.
Unsere Museumsbegleitung hat für uns zunächst 3 Bilder der „Land Art“ ausgesucht, einer modernen Kunstrichtung, die Natur und Landschaft zum Gegenstand hat.
Unser erstes Bild ist ein Ölgemälde des berühmten deutschen Künstlers Gerhard Richter. Das Gemälde zeigt ganz unten nur ein bisschen Landschaft, ein Stückchen Straße und ein paar Verkehrszeichen, darüber wölbt sich ganz viel grauer Himmel. Es erstaunt die Besucher, dass dieses Bild ungeheuer wertvoll, sogar Millionen von Euros wert ist, zumal der Künstler wollte, dass die Landschaft unten sogar ein bisschen langweilig aussehen soll. Der Himmel ist wunderbar dargestellt, aber es ist überraschend, dass Gerhard Richter gerade das wenige helle Sonnenlicht, das an einer Stelle durch die grauen Wolken dringt, mit besonders dicker Farbe gemalt hat.
Ganz anders entstanden ist die Landschaftsfotografie des britischen Künstlers Hamish Fulton, der Landschaften fotografiert und seine Fotos zu einer neuen, aber ähnlichen Landschaft zusammengefügt hat. Er ist ein „Walking Artist‘, ein in der Natur wandernder Künstler. Noch eine andere Art dieser Kunstrichtung zeigen uns die 2×3 Fotos des Land Art Projekts von Robert Smithson. Sie stellen eine große Spirale dar, die – entgegen dem Uhrzeigersinn drehend – in einem Salzsee in Utah erbaut wurde. Dieses Kunstwerk kann für den Betrachter sogar unsichtbar werden, je nachdem, wie hoch der Wasserstand in dem Salzsee ist. Für den Künstler Smithson ist seine Spirale ein Grundmuster in der Natur. Man findet sie unendlich groß im Kosmos und winzig klein in jedem Salzkristall des Sees. Sie soll auf die Umweltzerstörung durch den Menschen aufmerksam machen. Aber wie, das wird uns leider nicht so ganz klar….
Weg von der Natur: Der moderne Mensch in der digitalen Epoche – Das macht sich die junge Künstlerin Louisa Clement zum Thema. Sie ist erst 31 Jahre alt und schon so erfolgreich! Hier muss niemand lange überlegen: Handys, Computerspiele, Roboter, Soziale Medien. Alle kennen die digitale Welt. Mit großem Interesse betrachten wir ihre Fotos, die sie mit einem Smartphone und nicht mit einer großen Kameraausrüstung, wie man vermuten würde, aufgenommen hat. Man kann nicht auf Anhieb erkennen, was sie zeigen, aber wir erfahren: Es sind Waffen! Außerdem ist sie in der Welt herumgereist und hat überall Schaufensterpuppen aufgenommen. Eine Wand hängt voll mit gerahmten Fotos solcher Puppenköpfe, die gleich und doch alle ein bisschen unterschiedlich aussehen. Ein Film von ihr zeigt einen lebendigen knallrosa Handschuh, der den grün leuchtenden Frauenkörper einer gläsernen Schaufensterpuppe streichelt.
Wir gehen weiter: Auf dem Boden eines leeren Raumes gibt es ein großes Feld von schwarz-glänzenden Glasbrocken zu sehen. Wie Lava: schön und irgendwie auch abstoßend. Die freundliche Dame vom Museum erklärt: Gebäude- und Straßenteile wurden nach einem Giftgasangriff, der 1500 Menschen das Leben kostete, nach Deutschland gebracht und in einem chemischen Prozess mit Glas unschädlich gemacht. Nun kann dieses einst tödliche Material im Straßenbau verwendet werden. Ein kleiner Exkurs führt uns von der Erfindung der Chemiewaffen im 1. Weltkrieg über das Verbot 1925 bis in die aktuelle Gegenwart. Als der Name des syrischen Diktators Assad fällt, der zuletzt diese international geächteten Waffen einsetzte, ist die Wirklichkeit schlagartig mitten in unserer Gruppe angekommen.
Bevor sich die freundliche Dame verabschiedet, sehen wir uns noch die geschichtlich geprägte Installation der britischen Künstlerin Danielle Dean an. Sie sieht aus wie eine geöffnete Klappkarte im Riesenformat, in der sich Gegenstände und Personen aus Papier aufgerichtet haben. Darüber hängen zwei Bildschirme, in denen junge Frauen aus dem heutigen Ghana in englischer Sprache erzählen. Die Künstlerin hat sich die Anfänge der kolonialen Vergangenheit Ghanas unter den Portugiesen zum Thema genommen und die Ausbeutung thematisiert. Unsere zwei jungen Damen aus Ghana wissen gleich, dass es sich bei den roten burgähnlichen Pappteilen um eine Darstellung des Forts Elmina in Accra handelt. Und ihre Augen und Ohren sind gebannt auf die Berichte ihrer Landsmänninen in den beiden Bildschirmen gerichtet. Sie hören den Erläuterungen der Dame kaum noch zu. Sie kennen und wissen nur zu gut, wovon gesprochen wird… Und da ist sie schon wieder, die Wirklichkeit!
Was wollte das Ehepaar Ludwig noch mal mit seiner Kunst erreichen… ?
Die Zeit ging wie im Flug vorbei.
Alle haben noch etwas Zeit, sich im Museum auf eigene Faust umzuschauen und – Wen erstaunt es? – gegen Ende finden sich die meisten Paten und Patenkinder in einem Raum mit 3D-Brillen wieder, die trotz einiger fachkundiger Handgriffe von einem unserer jüngsten Gruppenmitglieder leider nicht alle funktionieren. Ja, 3D- Brillen müssen wir irgendwann auch noch einmal zusammen ausprobieren! Schnell noch ein Gruppenfoto von einem der Museumswächter geschossen und dann…. ?
Nach so viel Kultur sind wir hungrig geworden und beenden den Ausflug mit einem gemeinsamen „Junior-Meal“, zu dem wir aber erst noch 15 Minuten hinmarschieren müssen. In der weltweit bekannten Imbisskette klingt unser Vormittag fröhlich aus. Wieder haben wir ein bisschen mehr von der Stadt Aachen kennen gelernt, und unsere Gruppe ist erneut ein Stück enger zusammengewachsen.
Wir bedanken uns herzlich bei der Stiftung Bildung in Berlin, durch deren Unterstützung unsere gemeinsamen Ausflüge im Stadtgebiet Aachen ermöglicht werden!
K. Granzen und G. Müllen